Donnerstag, 3. September 2015

Filesharing und Schuss in den Ofen



Bekannt ist, dass in sog. „Filesharing“ – Fällen die angeblichen Rechteinhaber und ihre Anwälte darauf berufen, dass die sog. IP-Nummer zweifelsfrei festgestellt und dem jeweiligen Anschlussinhaber zu geordnet werden könne.
Mit der angeblich exakt festgestellten IP-Nummer zwingen die angeblichen Rechteinhaber gerichtlich die Provider die Klarnamen und Adressen der „Rechteverletzer“ heraus zu geben.

Dass also die IP-Nummern-Ermittlung richtig ist, beten die Anwälte in den verschiedensten Filesharing-Prozessen gebetsmühlenartig herunter und folgen dem die Gerichte teilweise willenlos.

Diese Praxis hat jetzt möglicherweise ein Ende. Auf mein substantiiertes Bestreiten hin, legte die Gegenseite ein „Gutachten“ vor, dass die Richtigkeit ihrer Behauptung untermauern sollte.

Leider ging der Schuss mächtig nach hinten los . Das Gericht in Düsseldorf stellte nach Prüfung dieses Gutachtens ( in Englisch und in Deutsch) fest :

Es kann dahinstehen, ob weitere Mitnutzer als mögliche Nutzer des Filesharing in Betracht kommen und ob Verjährung eingetreten ist, denn ein Anspruch der Klägerseite aus §§ 97, 97a UrhG scheitert bereits daran, dass nicht mit der nötigen Sicherheit feststeht, dass die am 14.03.2010 um 03:33 Uhr einzig festgestellte IP-Adresse 87.XXX.XXX.XX. dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet war. Ist wie hier nur eine einzige IP-Adresse ermittelt, so trägt die Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast der Zuverlässigkeit des Verfahrens der Ermittlung und Zuordnung der IP-Adresse als ihre günstige Tatsache. Diesen Beweis konnte die Klägerin nicht führen, im Gegenteil steht auf Grund der von ihr selbst als Teil ihres Parteivortrags überreichten Übersetzung des Privatgutachtens Dr. Clemens Charles Vogeler vom 04.05.2010 fest, dass das hier zur Anwendung gekommene Verfahren nicht hinreichend zuverlässig ist, um bei lediglich einer IP-Adresse zuverlässig auf die Person des Anschlussinhabers schließen zu können. Aus der Zusammenfassung, Punkt 1.11 des Gutachtens sowie Punkt 4.4.6.3, Blatt 13 des Gutachtens sowie der Auflistung, Seite 41 des Gutachtens, geht hervor, dass bei dem verwendeten Verfahren Ungenauigkeiten bei der Zeiterfassung von bis zu 2 Sekunden möglich sind. Da IP-Adressen den jeweiligen Anschlussinhabern nicht dauerhaft zugeordnet sind, sondern regelmäßige Wechsel stattfinden, besteht daher bei einer Zeitdifferenz von bis zu 2 Sekunden die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass ein zwischenzeitlich stattgefundener Wechsel der Zuordnung der IP-Adresse zu einem bestimmten Nutzer noch nicht erfasst worden ist und es hierdurch zu einer Fehlzuordnung kommt, mithin also im tatsächlichen um bis zu 2 Sekunden abweichenden Zeitpunkt der Erfassung der IP-Adresse des Filesharers diese einer anderen Person als dem Beklagten zugordnet war. Bereits aus diesem Grund ist der Anspruch sowohl auf Schadenersatz als auch auf Erstattung der Abmahnkosten gegen den Beklagten abzuweisen.

Dem ist nichts mehr hinzu zu fügen.

1 Kommentar:

  1. "Ach du liebe Zeit" ist ein oft und zu vielen Anlässen benutzter Ausspruch, meistens wenn etwas schief oder daneben gegangen ist.
    Kindern vergeht die Zeit oft zu langsam, den Alten rennt sie förmlich davon.
    Und manchmal kommt es (natürlich neben dem Geschick des verteidigenden Anwalts) eben genau auf 2 winzige Sekunden an, die einer Klägerin den Wind aus den Segeln nehmen.
    Gratulation!

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