Freitag, 26. August 2011

Also schloß man messerscharf,

dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

Diesen bekannten Merksatz haben sich eine ganze Reihe von echten und vermeintlichen Verbraucherschützern auf die Fahne geschrieben.
Und so einfach denkend, handeln sie auch.

Die vertraglich vereinbarten Kosten eines kostenpflichtigen Portals muss man nicht zahlen, schon allein deshalb, weil hinter diesem Angebot ein "böser" Mensch steckt. "Böse" sind nach der vereinfachten Denke dieser Herrschaften ( manche nennen sie Netzindianer ) alle, die etwas für Geld im Internet anbieten. Sie zahlen trotz gültigem Vertragsschluss nicht.

Dann kommt ein Inkassoinstitut oder ein Anwalt und fordert zur Zahlung auf. Da muss man nicht zahlen, denn die sind böse. Schon allein deshalb, weil "böser" Mensch ( siehe oben) das Inkassoinstitut oder den Anwalt beauftragt hat.

Gegen "böse" Menschen muss was unternehmen. Also fordert man die "Aufsicht" massenhaft auf, dem Inkassoinstitut oder dem Anwalt die Lizenz zum Forderungseinzug zu entziehen. Geht ja einfach im Zeitalter des Internets.

Nun geht die "Aufsicht" des Inkassoinstituts hin und sagt: " Oh, wenn sich so viele beschweren, muss ja was dran sein!" Die "Aufsicht" entzieht dem Inkassoinstitut (vorläufig) die Zulassung, nach dem Motto "Esst Scheiße, Millionen Fliegen können sich nicht irren!" 
 Rechtswidrig" sagt daraufhin gestern das Verwaltungsgericht Berlin und beendete den "bösen" Spuk.
Aus einer Pressemitteilung der Justiz Berlin:
Der Widerruf der Registrierung einer Inkasso GmbH mit Sitz in Berlin durch die Präsidentin des Kammergerichts ist rechtswidrig.
 Nachdem im Jahre 2009 mehrfach Beschwerden über das Unternehmen eingegangen waren, widerrief die Präsidentin des Kammergerichts als zuständige Behörde die für die Tätigkeit des Unternehmens erforderliche Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister. Der Bestand der eingezogenen Forderungen sei nicht geprüft worden, obwohl zumindest in bestimmten Einzelfällen hierzu Anlass bestanden hätte.
Das Unternehmen machte demgegenüber geltend, im Rahmen eines sog. ‚Mengeninkasso‘ sei ihm eine Einzelfallprüfung jeder geltend gemachten Forderung nicht möglich und auch nicht üblich. Eine solche Verpflichtung sehe das Rechtdienstleistungsgesetz zudem nicht vor.
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts hat der Klage stattgegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerruf der Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister lägen nicht vor. Es sei nicht dauerhaft zu unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zum Nachteil des Rechtsverkehrs gekommen. Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz bestehe keine Verpflichtung, vor jeder Einleitung von Inkassomaßnahmen, etwa dem Versand eines Mahnschreibens, eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob die jeweilige Forderung auch bestehe. Die Klägerin habe dargelegt, dass sie eine Einzelfallprüfung dann vornehme, wenn sie auf Grund entsprechender Hinweise Anlass dazu habe. Soweit es im Einzelfall begründete Beschwerden gegeben habe, seien diese jedenfalls mit Blick auf den Geschäftsumfang kein Grund, von einer dauerhaft unqualifizierten Tätigkeit der Klägerin auszugehen. Zudem habe es die Präsidentin des Kammergerichts unterlassen, vor dem Widerruf zunächst ein milderes, weniger stark in das Grundrecht der Klägerin auf Berufsfreiheit eingreifendes Mittel, etwa eine Auflage, zu prüfen.
Gegen das Urteil ist ein Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Urteil der 1. Kammer vom 25. August 2011 (VG 1 K 5.10)

Guten Morgen, liebe Gutmenschen, kommt weg vom Dunstkreis der Biertische und achtet mehr auf Einzelheiten und den Einzelfall.

3 Kommentare:

  1. Für alle, die
    a) des Lesens mächtig sind und
    b) an einer objektiven Erörterung der Thematik interessiert sind,

    empfiehlt sich die Lektüre des überaus sachlichen und guten Artikels von RA Dr. Michael Kleine-Cosack:
    Zulässigkeit des Masseninkassos durch Rechtsanwälte
    NJW 31/2011, S. 2251ff

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  2. Ich muss gestehen, dass ich den nicht habe !

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  3. Das Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden des einzelnen Menschen, auch wenn es viele betrifft, steht nicht immer im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen, an die sich Richter bei ihrer Entscheidungsfindung halten müssen.

    Das nachfolgende Zitat des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl in seinem Vortrag „Recht und Gerechtigkeit im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat“ auf der Eröffnungsveranstaltung des 59. Deutschen Juristentags am 15. September 1992 in Hannover drückt das meines Erachtens ganz vortrefflich aus:

    „Über das moralische Versagen einzelner kann kein Gericht befinden. Die Rechtsprechung ist vielmehr an die strengen Voraussetzungen rechtlicher Normen gebunden. Und das ist gut so. Aber es wird vielerorts, wie wir wissen, nicht verstanden. Wir müssen immer wieder Verständnis dafür wecken, dass dem Rechtsstaat Grenzen gesetzt sind die dem spontanen Rechtsempfinden vieler nicht immer entsprechen. Wir müssen akzeptieren, dass der Rechtsstaat mit dieser Selbstbindung auch diejenigen schützt, die es moralisch vielleicht gar nicht verdienen. Diese Beschränkung schützt uns alle, und sie schützt den Rechtsstaat selbst: Ohne sie ist Rechtssicherheit und damit Rechtsstaatlichkeit nicht denkbar.“

    (http://helmut-kohl.kas.de/index.php?menu_sel=17&menu_sel2=&menu_sel3=&menu_sel4=&msg=1453)

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